LAUDATIO
Galerie Augenweide 2008
Prof. Dr. Peter van Treeck
Zur Vernissage Alessandro Serafini in der Galerie Augenweide 17.09.2008
Die Galerie präsentiert mit den Bildern Alessandro Serofinis eine bemerkenswerte und interessante Ausstellung: „Gesichtslandschaffen“, in denen Augen und Mund eindringlich betont sind, in Korrespondenz mit den stets weniger präzisen Details und Attributen. „Die Landschaft einer menschlichen Seele liegt in ihrem Blick“, so der Künstler.
Alessandro Serafini ist Jahrgang 1961. Er studierte am lstituto d’Arte di Roma. einer bedeutenden Akademie Bildender Künste, und war dann mehrere Jahre lehrend und als Buchillustrator tätig. Er lebt und malt seit gut 10 Jahren in Eichstätt.
„Nachdenklichkeit, Ironie, Melancholie und Sinnlichkeit sind nur einige von vielen Momenten, die in dieser Landschaft sprechen können“, sagt Serafini über seine Bilder, was natürlich bedeutet, daß der Betrachter die vielen Informationen und Ideen, die darin enthalten sind, selbst erkunden und seinen eigenen Zugang zu ihnen finden muß.
Bilder sind die Sprache des Malers, dabei ist hier faszinierend, daß der Betrachter und „Leser‘ mit Augen und Mündern konfrontiert ist, also genau dem, womit er selbst sieht bzw. etwas gesagt bekommt.
Diese Gesichter sind keine Porträts, sondern wirken wie ideale, gleichsam anonymisierte Darstellungen. In ihrer Physiognomie sind sie sich alle ähnlich und trotzdem individuell und unterschiedlich. Sie sind zumeist fast provokativ frontal, symmetrisch und achsial, auch in den diagonalen Variationen und Perspektiven; von unterschiedlicher Farbigkeit, mal kühl, ‚mal warm, ‚mal verschattet, ‚mal leuchtend auf unterschiedliche Weisen beschnitten, ausschnitthaft, an den Rand oder ins Zentrum gesetzt;
das sind Stimmungen.
Dabei werden einem dann auch die Details bewußt: verschieden „gestimmte“ Gesichtspartien, ohne schon mimisch zu werden; Unschärfen in anderen Gesichts- und Körperteilen, zum Beispiel im Gegensatz zu den minuziös gemalten Mündern- und Augen, die Sie immer anblicken, nur flüchtig angedeutete Ohren oder Hände. Andererseits Attribute, die im Werk Serafinis zunehmend Bedeutung bekamen: Obst (wie Pfirsiche, halb aufgegessene Kirschen), Fisch, Rose, Musikinstrument, immer in stimmungsbezogener Korrespondenz mit den Gesichtern, die Aussage vertiefend, die partielle Alterung des Gesichts durch einen dünnen Vorhang oder durch Wasser oder durch ein großes Glas, in dem wiederum ein Fisch als Fixpunkt zum Betrachter schwimmt; in seiner reinen Form ist Glas irreal, es wird sichtbar durch das spiegelnde Licht oder durch Oberflächenstrukturen/Schmutz und Brechungen; es hat viele Assoziationen, z.B. ist es Symbol für die Veranschaulichung des Unsichtbaren, es wird sichtbar durch die Welt, die sich in ihm reflektiert, es wird erkennbar durch Erscheinungen, die mit seiner physischen Substanz nichts zu tun haben, aber durch sie verursacht werden, es ist in der christlichen Ikonografie symbolischer Verweis auf die Jungfräulichkeit Mariens (die bei der Empfängnis unversehrt blieb wie das Glas, das von göttlichem Licht durchdrungen wird, ohne Schaden zu nehmen). Im Bild mit dem Gesicht bis zur Nase im oder hinter dem Wasser sieht man das wieder nur skizzierte Ohr real und als Brechung durch das Wasser; beim sitzenden Akt hat man den Eindruck, daß dem Gesicht das Zeigen des nackten Körpers unangenehm ist.
Dieses Spiel mit Stimmungen und Empfindungen ist vielfältig, könnte als psychologische Tiefe bezeichnet werden. Die Betrachter, besser: die Besitzer der Bilder, die sie tagtäglich sehen können, sollen und werden sich in ihren ja sehr unterschiedlichen Stimmungen wiederfinden. Kann der Künstler diese Faszination zum Betrachter rüberbringen? Es obliegt Letzterem.
In Artikeln über Serafini findet man oft den Vergleich seiner Bilder mit Werken der römischen Antike und der Renaissance. Dieser Vergleich ist sicher nicht angezeigt. Aber woher rührt er? Wahrscheinlich aus der Malweise, wie man Gesicht, sprich Haut darstellt: durch die natürliche Mischung diverser Farben wie rot. blau, grün, gelb, weiß u.s.w., die in ihrer Überlagerung und Mischung die realistische „Körperhaftigkeit“ erzeugen; und der Vergleich rührt sicher auch aus der idealisierten Darstellung. Aber das berechtigt in keiner Weise, hier von einer Orientierung von historischen Epochen zu sprechen.
Es überwiegen die aktuell-modernen Bemente in Serafinis Malerei, z.B. die Beschneidungen der Gesichter und der Formate (das ist insgesamt ein modernes Phänomen, das wir auch seit in der Fotografie und im screen-abhängigen Film und Fernsehen erkennen), in der Gewichtung zwischen Format und Darstellung (wenn z.B. das Gesicht an den Rand eines Querformats gerückt wird oder die Figur über den Bildrand hinausweist), wenn Kopf und Hals stark überzeichnet gestreckt sind, auch der Aspekt, dass unterschiedliche Präzisionsgrade an Teile ein und desselben Bildes gelegt werden. Auch der Aspekt, daß man – gerade wegen der oben genannten Elemente – diese Bilder keinesfalls rahmen darf.
Absolut unverkennbar, eigenständig, aussagekräftig, aktuell und nachhaltig. Die stofflich-körperhafte Malweise bearbeitet die Partien aus der Fläche heraus. Das ist umso bemerkenswerter, als man bei Serafini durch seine Erfahrungen als Buchillustrator eher mehr konturbestimmte oder überhaupt grafische Darstellungstechniken erwartet hätte.
Er malt mit Öl; seine Maltechnik ist außerordentlich detailliert und strukturiert, in bestimmte Details oder Partien der Bilder mischt bzw. spachtelt er z.B. zur Verstärkung von Strukturen Sand in die Farbe (die in früheren Artikeln zu lesende Erklärung, das wäre eine Reminiszenz an alte Malereien, ist völlig absurd, es geht dem Maler um ganz Anderes) man kann gewissermassen von „Landschaft“ auch im Sinne dieser malerischen Flächenstrukturen sprechen. Die Detailstrukturen der Bilder in all ihren Partien sind bestechend schön.
Deshalb haben offensichtlich auch die Hintergründe der Gesichter und Figuren in Serafinis Malerei große Wichtigkeit in die er zumindest ebenso viel Zeit und Ideen steckt wie in die Körperthemen. Die Fonds sind farblich im Kontrast zu den körperlichen Partien abgesetzt wobei aber beide Farbpole sich in Spuren im jeweils anderen Sujet wiederfinden.
Im Detail betrachtet sind die Strukturen in beiden Elementen gleich oder ähnlich, d.h. die Bildfläche hat auch insgesamt – unabhängig vom Thema – etwas von einer „Landschaft“, wenn man dafür ein Auge hat. Obgleich man seit längerem ja nicht mehr von regionalen oder nationalen Stilen spricht ist im Werk die kulturelle Herkunft und Natur des Künstlers aus Italien spürbar. Der Künstler investiert in ein Bild durchschnittlich 4 Wochen Arbeit danach ist ihm noch eine lange Zeit des Beurteilens, vielleicht auch Nacharbeitens, wichtig, wie man das bei vielen-Künstlern findet. Die ausgestellten Bilder sind alle in 2007 und 2008 entstanden.
Alessandro Serafini und der Galerie ist mit dieser Ausstellung viel Erfolg zu wünschen.